Der Weg zur digitalisierten Schule

Marco Stühlinger, Leiter Bildung der mehrfach ausgezeichneten Sekundarschule Niederhasli Niederglatt Hofstetten in Zürich, berichtet, wie seine Schule zur digitalisierten Schule wurde und welche Lehren er aus dem Prozess gezogen hat.

BildSchulhausSeehalde

Dauerthema in den Medien und der Politik ist die Digitalisierung – in den Schulhäusern, bei Lehrpersonen und Schulleitenden ist es die Umsetzung des kompetenzorientierten Lernens aufgrund des Lehrplans 21 und die Einführung des Fachs «Medien und Informatik». In Zürich werden die beiden Kompetenzbereiche «Medien» und «Informatik» auf Primarstufe in jedes Fach integriert und ab der fünften Klasse (2. Zyklus) und Sekundarstufe (3. Zyklus) als eigenes Fach angeboten. Das ist ganz im Sinne von economiesuisse und deren Chefökonom Rudolf Minsch, die sich Anfang dieses Jahres in einem Positionspapier zur Digitalisierung geäussert hat. Professor Minsch hält es nicht für nötig, Alltagssoftware wie Word und Excel zu lehren. Viel eher soll Informatik kompetenzorientiert in alle Fächer einfliessen.

An der Sekundarschule Niederhasli Niederglatt Hofstetten ist Kompetenzorientierung schon seit einiger Zeit mit Digitalisierung verknüpft. So haben alle Jugendlichen ein persönliches iPad, das ihnen während der dreijährigen Sekundarschulzeit gehört. Damit bearbeiten sie digitale Lernsettings, lernen mit zur Verfügung gestellten Apps sowie Online-Lernplattformen und erstellen auf ihrer Cloud ihr E-Portfolio. Ergänzend können sie MINT-Wahlfächer besuchen, in denen sie Roboter oder 3D-Drucker zum Laufen bringen und die Programmiersprachen Scratch und Python erlernen. Durch eine Kooperation mit den lokalen Primarschulen kommen bereits Kindergartenschüler(innen) mit den Käferrobotern Beebots in Kontakt, Primarschüler(innen) erweitern ihre Forscherkompetenzen mit Naturwissenschaftsboxen und ab der fünften Primarklasse erlernen die Kinder die Programmiersprache LOGO.

Folgende Fragen mussten wir auf dem Weg zur digitalen Schule beantworten:

1. Bildung und Kompetenzen der Lehrpersonen 

Sind unsere Lehrpersonen genug ausgebildet? Welche Kompetenzen im ICT-Bereich bringen sie mit? Können sie überhaupt mit den «Digital Natives» mithalten? Lehrpersonen ohne die nötigen Kompetenzen können weder den Unterrichtseinsatz von Tablets sinnvoll gestalten noch digitale Lernsettings ausarbeiten.

Haben wir eine Person als pädagogischen ICT-Support im Team, die niederschwelligen Einzelsupport leistet, die Weiterbildungen organisiert, sich mit anderen Schulen vernetzt und sich selbst für die Schule weiterbildet? Sind genug finanzielle und zeitliche Ressourcen vorhanden, um die Lehrpersonen und die pädagogische Supportperson weiterzubilden?

Aus unserer Sicht braucht es mindestens den Anschluss an ein (städtisches) ICTProgramm/-Stelle und ein Teilzeitpensum einer affinen Lehrperson vor Ort.

2. Digitaler Einsatz im Unterricht und SAMR-Modell

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Wie werden die digitale Hardware, Apps und Online-Plattformen im Unterricht eingesetzt? Setzen die einzelnen Lehrpersonen diese Tools unterschiedlich oft ein? Bringt dieser Einsatz einen zusätzlichen Gewinn, indem Lernprozesse mindestens verbessert, vereinfacht werden («Augmentation») oder Lernaufgaben gar neu definiert werden («Modification»)? Würde es sich lohnen, überhaupt Tablets für alle Schülerinnen und Schüler anzuschaffen, wenn diese bloss als digitaler Notizblock («Substitution») eingesetzt würden?

3. Infrastruktur und Planung

Ist unsere Infrastruktur genug leistungsfähig (Internet, Datenspeicher, Software, Hardware)? Wer hält diese instand? Haben wir einen technischen ICT-Dienst, der sich für die regelmässige Wartung der Infrastruktur einsetzt? Müssen jedes Tablet und jeder Laptop separat aufgesetzt werden oder verfügen wir über die entsprechende Software?Sind wir in der Lage, die Schülerinnen- und Schülerger.te genügend zu sichern und notfalls zu überwachen? Wie kommen die Schülerinnen und Schüler zu ihren Apps? Sind genügend finanzielle Ressourcen für Softwarelizenzen budgetiert? Inwiefern können Lehrpersonen in den einfachen technischen Support miteinbezogen werden?

Gemäss unserer Erfahrung «digitalisiert» sich eine Schule nur, wenn die strategische und operative Führung ähnliche Visionen diesbezüglich entwickelt haben. Dafür sind die fixe Planung von Weiterbildungen im Schuljahresplan und zeitliche Ressourcen auf Führungsebene (Pflichtenheft) unumgänglich. Hier unterstützt ein ICT-Jahresbericht, erstellt durch den ICT-Support und die Schulleitung. Dieser wird schliesslich von der strategischen Führung genehmigt. Darin enthalten sind zum Beispiel die Budgetierung von Soft- und Hardware, Weiterbildungsmenge, Inhalte von Weiterbildungen, Evaluationen und Konzepte für Einsatz digitaler Medien im Unterricht.

4. Digitale Lernsettings

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Welche Lerninhalte werden auf Tablets oder online erarbeitet? Gibt es für die Apps, Webseiten, Youtube-Tutorials, Software und digitalen Lernsettings eine Qualitätssicherung durch die interne Fachschaft? Oder erstellt jede Lehrperson für sich ihr digitales Lernsetting? Existieren die obligatorischen Lehrmittel in digitaler Form? Wie steht es um die zeitlichen Ressourcen der Lehrpersonen, um digitale Lernsettings zu erstellen und Fachschaftsarbeit zu leisten? Werden Open Source-Lehrmittel von bestimmten Austauschplattformen bereits eingesetzt? Wie kann man die Qualität bei diesen Lehrmitteln sichern und gleichzeitig den schweiz- oder weltweiten Austausch fördern?

Obschon der Lehrplan 21 bereits an vielen Schulen umgesetzt wird und die Tablets budgetiert oder gekauft sind, muss man sich stets im Klaren sein, dass die blosse Anschaffung von Hardware nur einen Baustein einer digitalisierten Schule ausmacht.

 

 

2 Kommentare zu „Der Weg zur digitalisierten Schule“

  1. Natürlich ist es unumgänglich, dass wir irgendwann einmal viel mit Tablets und Co. in allen Schulen arbeiten. Das finde ich erst einmal gut, da ich aus eigener Erfahrung weiß, das SuS lieber lernen, wenn sie auf ihr Smartphone (etc.) schauen dürfen. Doch Fächer oder Projekte, die sich wirklich eindeutig auf z.B. programmieren beziehen, würde ich lieber wahlweise anbieten. Denn wenn alle diese Fächer/Projekte haben, die dann auch bewertet werden, haben die SuS eine schlechtere Chance, die eher eine Begabung für z.B. Sprachen haben. Denn wir brauchen auch die Menschen, die keine Technickfans sind!

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